In dubio pro Hedge?

Eines der zuletzt von Unternehmen öfter angesprochenen Themen war, welche Instrumente nach ESMA-Definition potenziell nicht als „Hedge“ anerkannt werden.

Man könnte meinen, dass das ein Thema wäre, das relativ einfach zu regeln sein müsste, zumal es ja auch Rechnungslegungsstandards gibt, die durchaus auch sinngemäß für Unternehmen gelten könnten, die diese Standards nicht unmittelbar anwenden.

Der Gesetzgeber ist hier aber (scheinbar?) großzügiger und fasst die Definition breiter – ein Derivat muss in erster Linie und im möglicherweise weiteren Sinne risikomindernd sein, um nicht unter die Anrechnung auf einen Clearing Threshold zu fallen. Alles klar?

Leider nein. In verschiedenen Foren entbrennen nämlich nun Diskussionen darüber, ob einzelne Instrumente oder Szenarien eine Anrechnung des Derivats, oder, noch besser, eines Teils des Derivats auf einen Clearing Threshold auslösen. Denken Sie z.B. an Spaßprodukte wie „Zinsswaps mit Gewinnchance“, die großflächig an Unternehmen verkauft wurden und die dann zum Teil zu einem ganz bösen Erwachen geführt hatten. So ein Swap wäre jedenfalls nicht zur Gänze als Hedge im Sinne der ESMA-Definition zu klassifizieren, sondern man müsste den Optionsteil gesondert melden, das Geschäft also in seine risikomindernde und seine spekulative Komponente zerlegen, auch wenn das Geschäft insgesamt risikomindernd wäre.

Jetzt halten wir das Thema Clearingpflicht aus Unternehmenssicht nach wie vor für einen „Non-Event“, nichtsdestoweniger reicht es nicht, z.B. in einer Richtlinie festzuhalten, dass man keine spekulativen Derivate einsetzt. Man wird dies, vor allem dann, wenn das Bestandteil der Prüfungspflicht in Deutschland oder auch in anderen Ländern ist, nachweisen müssen. Dieser Nachweis wird durch eine Dokumentation zu erbringen sein, aus der klar hervorgeht, was mit einem Derivat abgesichert wurde. Das kann nach ESMA-Definition z.B. ein Derivat für ein Portfolio von geplanten Zahlungsströmen in Fremdwährung sein, bei der Frage, ob eine Zinssicherung für eine Finanzierung, von der man weiß, dass man sie aufnehmen wird, den Zeitpunkt der Aufnahme aber noch nicht bestimmen kann, ein Hedge ist oder nicht, scheiden sich bereits die Geister. Wir meinen übrigens schon, dass das ein risikominderndes Derivat im Sinne der ESMA-Definition wäre, halten aber auch klar fest, dass das nur unsere Meinung und keine belastbare Beurteilung ist.

Wir werden versuchen, diesen Themenkomplex in den nächsten Wochen mit Wirtschaftsprüfern zu erörtern. Ungeachtet dessen empfehlen wir allen Unternehmen, die sich nicht sicher sind, ob die jeweiligen Absicherungsstrategien und eingesetzten Instrumente unter die Hedging-Definition fallen, dies frühzeitig mit ihren Wirtschaftsprüfern anzusprechen. Das einzige, was wirklich gesichert ist – alles, was nach IFRS als Hedge qualifiziert, ist auch nach EMIR ein Hedge. Spätestens dann aber, wenn ein Derivat einmal ineffektiv wird, wird es spannend. Dann kann es nämlich immer noch potenziell risikomindernd sein, wird aber nicht als Hedge im Sinne von IFRS bilanziert.

In dubio pro Hedge? Wir meinen, dass eher das Gegenteil der Fall sein wird. Was meinen Sie?

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